Berichterstattung über die WELP Group in der Ausgabe CPM-Forum 03/2022 mit dem Specialthema zur Rü.Net 2022:

Im Jahr 1979 gründete der Ingenieur Josef A. Marold mit einem kleinen Konstruktionsbüro in Osnabrück die Planungsgesellschaft für Automobil- und Maschinenbau mbH (pgam). Bereits 1986 wurde aus Platzgründen der Firmensitz von pgam an einen neuen Standort nach Georgsmarienhütte verlegt und und hat sich bis heute zu einer weltweit agierenden Unternehmensgruppe entwickelt, die für die Automobilindustrie und auch andere Branchen tätig ist. Das Unternehmen wurde nach Eingliederung von weiteren Firmen im Jahr 2014 zur WELP Group umfirmiert. 

Ein neues Corporate Design zeigt die Zugehörigkeit der einzelnen Unternehmen zu einer starken Einheit. Heute entwickelt und produziert das Unternehmen an sechs Standorten: Georgsmarienhütte, Wilkau-Hasslau, Kranzberg und Neustadt in Deutschland sowie in Medias/Rumänien und einem Vertriebsbüro in Birmingham/UK. In naher Zukunft wird ein weiterer Standort für Sonder- und Schutzfahrzeuge in Frankreich eröffnet. Dadurch ist ein leistungsstarker und eng vernetzter Verbund entstanden. Alle Standorte haben Zugriff auf das umfassende Leistungsspektrum der WELP Group, aus dem dann individuelle Lösungen realisiert werden können.

KNOW-HOW, SPEZIALISTENTUM UND KOMPETENZEN
Die WELP Group liefert hochwertige maßgeschneiderte Schutzlösungen für sondergeschützte Einsatzfahrzeuge, die uneingeschränkt für jede Aufgabe und in jedem Gelände einsetzbar sind. Dabei werden unabhängig von der Fahrzeugherstellermarke individuelle Lösungen auf die Anforderungen des Auftraggebers zugeschnitten. Das Unternehmen bietet vielfältige Leistungen von der Entwicklung bis hin zur Fertigung und ermöglicht damit die Realisierung von Gesamtprojekten aus einer Hand, insbesondere bei Serien von kleinerer bis mittlerer Größe. Ein neuer Markenauftritt und ein neu gestaltetes Leistungsportfolio mit den Kompetenzbereichen „Supply“, „Customize“ und „Protect“ macht die neue Stärke unter einem gemeinsamen Dach deutlich. WELP liefert mit weltweit anerkannter Entwicklungskompetenz und Qualität auf dem höchsten Niveau. Alle Sonderschutzfahrzeuge sind bis ins Detail durchdachte Lösungen bei hoher Verlässlichkeit und Zertifizierung. Die Kunden von WELP erhalten ihre Fahrzeuge mit einer vollständigen Zulassung sowie TÜV- oder DEKRA geprüft.

Die verbauten Schutzmaßnahmen und zusätzlichen Komponenten erhöhen das Fahrzeuggewicht und werden durch die Verwendung von stärkeren Bremsen und Fahrwerkskomponenten aufgefangen. Letztlich sind die Fahrzeuge nach internationalen ISO-Normen getestet. Die Schutzbaugruppen gehen zudem mit den Richtlinien DIN 2303 Q2 + Q3 sowie mit DIN EN ISO 3834-2 konform.

NEUER MARKENAUFTRITT UND NEU GESTALTETES LEISTUNGSPORTFOLIO
Mit einer strategischen Neuausrichtung aus dem Jahr 2020 hat sich die WELP Group für die Zukunft neu aufgestellt.  Das Unternehmen zeigt sich in hohem Maße von der Konzeptphase bis hin zur Optimierung innovativ, wobei Entwicklungsteams den kompletten Entstehungsprozess ihrer Produkte abdecken. Fahrzeugkomponenten oder komplexe Bauteile bzw. Baugruppen, aber auch mechanische und mechatronische Funktionsteile werden von Entwicklungsingenieuren von der Idee bis zur Serienreife begleitet und getestet. Alle Produkte, ob Hightech-Fertigung oder Handarbeit sind von zertifizierter Qualität und geben damit dem Kunden die Sicherheit, die beste Lösung für seine Anforderungen zu erhalten.
Zur Gewährleistung dieser eigenen Zielsetzung, einer „Null-Fehler-Qualität“, entwickeln und fertigen die über 720 Mitarbeiter zur Produktion erforderliche Betriebsmittel/Werkzeuge und erreichen damit einen hochwertigen leistungsfähigen Maschinenpark, der für den individuellen Umbau der Fahrzeuge und die vorgesehenen Sonderschutzlösungen benötigt wird. Die Teams für die Entwicklung im Werkzeugbau und der Serienfertigung im Fahrzeugbau arbeiten hierzu eng vernetzt miteinander. Auf diese Weise können von Anfang an Fertigungsverfahren und -prozesse aufeinander abgestimmt und des Weiteren kann auf Kundenwünsche schnell und flexibel reagiert werden. Zur Realisierung sind hierzu 70 CAD-Workstations (Catia V5 und Siemens NX) im Einsatz. Für die Validierung werden unter anderem Simulationstools wie Hyperworks, NX Advanced Simulation und Cadmould, 3DToleranzsimulationen sowie APIS FMEA genutzt.

Im hauseigenen Presswerk werden zudem aus Panzerstählen warmumgeformte Schutzbauteile individuell gefertigt. Diese Bauteile sind zum einen für die eigene Schutzfahrzeugproduktion und zum anderen für die Zulieferung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie bestimmt. Darüber hinaus verfügt das Unternehmen über ein eigenes ballistisches Beschusslabor mit einem 30 Meter langen Beschusskanal. In diesem Labor werden neueste Materialien im „scharfen“ Schuss getestet. Zudem besitzt die Unternehmensgruppe eigenentwickelte und patentierte Sicherheitsstähle, die durch das Prüflabor kontinuierlich weiterentwickelt werden. WELP entwickelt für zahlreiche Erstausrüster und Tier-1-Zulieferer der Automobilbranche innovative Interieur-, Struktur- und Funktionsbauteile sowie Sonderschutzfahrzeuge und -lösungen.

WE DID IT FIRST!
Hightech on Top – Made in Germany: die WELP Group, Deutschlands Qualitätsführer für zivile Sonderschutzfahrzeuge, hat weltweit die erste vollumfängliche Zertifizierung des neuen TALOS – Toyota Land Cruiser 300 in der höchsten Schutzklasse VR9 gemäß den neuesten VPAM-Prüfnormen (VPAM-BRV Fassung 3 sowie VPAM-ERV Fassung 3) erreicht. Durch die Zertifizierung kann das Unternehmen nunmehr mit dem TALOS – Toyota Land Cruiser 300 die Serienfertigung dieses Sonderschutzfahrzeuges beginnen.

Zuvor wurde der TALOS in Schrobenhausen bei der TDW GmbH durch das deutsche Beschussamt eingehend getestet und im Ergebnis zertifiziert. Das Fahrzeug bietet höchsten Schutz gegen Handgranaten, Minen und Seitenansprengungen und ist unter anderem vor diversen Handgranatenzündungen auf dem Fahrzeugdach und unter dem Fahrzeug geschützt. Daneben wurde die Seitenansprengung durch eine PETN-Ladung simuliert und erfolgreich nach der VPAM-Richtlinie bestanden.

Der TALOS basiert auf dem Toyota Land Cruiser 300 und verfügt über ein komplett neu entwickeltes Fahrwerk und eine vollständig neue Bremsanlage, die an das erhöhte Gewicht des geschützten Fahrzeugs angepasst wurde. Zusätzlich sind auch Federn, Stoßdämpfer, Stabilisatoren und andere Elemente durch leistungsstärkere Komponenten ersetzt worden. Zur Anpassung an die neu entwickelte Schutzzelle wurde das gesamte Interieur des Fahrzeuges von Grund auf neu entwickelt und angepasst. Auch der TALOS – Toyota Land Cruiser 300 verfügt über hervorragende On- und Offroad- Fahreigenschaften, bewährte Zuverlässigkeit sowie viel Platz und höchste Sicherheit.

Mit der erfolgreichen Zertifizierung des Fahrzeugs empfiehlt sich die WELP Group erneut als ein verlässlicher Premium-Hersteller von hochgeschützten Sonderfahrzeugen und dürfte damit am internationalen Markt ein beachtenswertes Zeichen setzen.
 

Interview mit Holger Stockey, Geschäftsführer der SMS Special Mobility Services GmbH und Vertriebsleiter Fahrzeugbau Farmingtons Automotive
 

» Herr Stockey, welchen Schwerpunkt bildet die WELP Group in Georgsmarienhütte mit ihrem Leistungsangebot bzw. welche Zielgruppen werden damit angesprochen?

Am Standort Georgsmarienhütte werden überwiegend handelsübliche, sondergeschützte Geländefahrzeuge (SUV/4x4) entwickelt und in Serie produziert wie z.B. der neue Toyota Land Cruiser 300 TALOS oder die Land Cruiser 70er Baureihe. Hierbei erfolgt die Entwicklung und die Produktion in enger Abstimmung mit unseren Kunden aus den Bereichen der zivilen (NGO, Diplomaten, VIP) und der taktischen Nutzung (Polizei, Militär). Großen Wert legen wir dabei auf eine hohe Produktionstiefe im eigenen Haus. So bilden wir die Entwicklung, Prototypen- und Werkzeugbau, Stahlbau sowie Endmontage als integralen Bestandteil des Standortes Georgsmarienhütte ab.


» Können Sie das für uns noch ein wenig vertiefen? Welche besonderen Merkmale zeichnen diese Fahrzeuge aus, was konkret sind die Anforderungen?

„Sondergeschütztes, handelsübliches Geländefahrzeug“ ist ein unabdingbares Merkmal dafür, dass sich unsere Kunden in den gängigen Einsatzgebieten möglichst diskret in das ortsübliche Straßenbild integrieren können. So ist es wichtig, die geforderten Schutzniveaus z. B. ohne auffällige sog. Sprengrahmen auf den Seitenscheiben sicherzustellen. Die hierfür erforderliche erfolgreiche Zertifizierung ist unserem Entwicklerteam gelungen und kann bei dem eben erwähnten TALOS angeschaut werden. Die „Durchpanzerung“ der OEM-seitig verbauten einteiligen Heckklappe stellt ebenfalls eine besondere Kundenanforderung dar. Die Bedienung der Heckklappe sowie das Ladevolumen bleiben hierbei möglichst nahe an der Serie. Von zunehmender Bedeutung ist zudem das Thema „Homologisierbarkeit“ des Gesamtsystems. Insbesondere europäische behördliche Nutzer fordern diese Homologisierbarkeit, um diese „Schutzfahrzeuge“ auch in Europa zuzulassen und im Straßenverkehr nutzen zu können.


» Wir verstehen, dass bei der Herstellung sondergeschützter Fahrzeuge ein bedeutendes Augenmerk auf dem Nachweis und der Zertifizierung entlang nationaler und internationaler Normen liegt. Wo liegen hier die Herausforderungen, welche Unterschiede gibt es im Bereich der Normen?

Beschaffer und Hersteller sitzen im selben Boot, wenn auch auf unterschiedlichen Positionen. Beide streben nach der Kombination von bestmöglichem Produkt für den geplanten Einsatzzweck bei effizientester Total Cost of Ownership-Betrachtung.

Im zivilen Sonderschutzfahrzeugsektor haben sich die VPAM-BRV (bullet resistant vehicles) und -ERV (explosive resistant vehicles) -Norm der Vereinigung der Prüfstellen für angriffshemmende Materialien und Konstruktionen als weltweiter anerkannter de facto-Standard für die Prüfung und Zertifizierung etabliert. Die neueste Fassung 3 der VPAM-BRV wurde mit Datum 15.3.2021 veröffentlicht, der VPAM-ERV Fassung 3 am 01.3.2021. Ihre jeweiligen Vorgängerrichtlinien (VPAM BRV 2009 und ERV 2010) wurden damit außer Kraft gesetzt. Insbesondere die VPAM-ERV Fassung 3 Zertifizierung kann ausschließlich von einem der drei deutschen Beschussämter Ulm, München oder Mellrichstadt durchgeführt und bescheinigt werden.

Teilweise werden im Blast-/IED-Bereich noch zusätzliche Prüfungen nach der – militärischen – STANAG 4569-Norm durchgeführt. Vor diesem komplexen Hintergrund eine bestmögliche Transparenz über Normen, Zertifikate und ihre jeweiligen Inhalte – auf Beschafferseite – zu ermöglichen, ist Ansinnen eines jeden seriösen Herstellers.


» Sie benutzen den Biofidel-Dummy für die Zertifizierung des Fahrzeugs. Was zeichnet diesen Dummy gegenüber anderen üblicherweise benutzten Hybrid 3-Dummies aus?

Der verwendete Biofidel-Dummy stellt nach jahrelanger Forschung (im Verbund aus Medizinern und Ingenieuren) ein Surrogat für den vulnerablen Menschen im Crashversuch dar. Er verhält sich über einen relativ breiten Anwendungsbereich möglichst menschengleich und zeigt sowohl kinematische Veränderungen als auch eintretende Beschädigungen, die mit Verletzungen beim Menschen korrelieren. Hierdurch können Verletzungswahrscheinlichkeiten von geschulten Experten realistisch bewertet werden, Abstellmaßnahmen erarbeitet und Verletzungen vermieden werden.


» Lassen Sie mich noch auf Fragestellungen zur Entwicklung eingehen. Was gehört im Einzelnen zu den Entwicklungstätigkeiten, die im Vorfeld eines Umbaus anstehen? Wie lange dauert ein solcher Prozess einschließlich des Umbaus?

Die WELP Group als Qualitätsanbieter verfügt über mehr als 70 fest angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Entwicklungsabteilung. Als einer der wenigen Hersteller von zivilen Sonderschutzfahrzeugen hat die WELP Group zudem ein hauseigenes ballistisches Prüflabor mit einem über 30 Meter langen Beschusskanal sowie ein eigenes Warmumformungswerk. In diesem Werk werden die Schutzbaugruppen spezifisch auf bis zu 1.100 Grad erhitzt und durch eine hydraulische 1.000 t-Presse in die gewünschte Form gebracht. Das Handling der bis zu 300 kg schweren Platten übernimmt ein eigens für uns konzipierter 7-Achsen-Schwerlastroboter, der höchste Präzision garantiert. Durch die Warmumformungstechnologie lassen sich Schutzbaugruppen herstellen, die platzsparend und hochballistisch in ein ziviles Fahrzeug integriert werden können. In unserem ballistischen Prüflabor können Materialien und Module zur Vorentwicklung und Verifizierung beschossen und ausgewertet werden. 

Der Entwicklungsprozess zur Herstellung eines Schutzfahrzeuges umfasst somit die Scannung des Rohbaus des Fahrzeugs, die Vorentwicklung der Schutzzelle mittels CAD, die Betriebsmittelauslegung der Prüf- und Fertigungslehren, die Fahrwerksauslegung durch physische und reale Analysen und Tests, die Materialprüfung mittels ballistischer Prüfung sowie die finale Prüfung durch ein anerkanntes staatliches Beschussamt. Für die Sicherheit unserer Kunden haben wir aus diesem Grund einige tausend Entwicklungsstunden in das Projekt TLC 300 TALOS investiert. 

Hauptaugenmerk galt in der Entwicklung den folgenden Themen: Gewichtsreduzierung auch im Höchstschutzbereich (VR9), unauffälliges Erscheinungsbild, zulassungsfähiges Fahrwerk, Service- und Wartungsfreundlichkeit. Die ersten konkreten Fahrzeugbestellungen sowohl von Stamm- als auch Neukunden zeigen, dass unsere Investitionen auf die Kundenwünsche zielgerichtet waren und entsprechend Zustimmung finden. 

Vielen Dank für das Gespräch.

www.cpm-verlag.de

 

  • Georgsmarienhütte
  • 01.09.2022
  • Rosenthal, Krug, Stockey, Hülsmann